26.04.2024 - 22:15 | Quelle: Transfermarkt.de | Lesedauer: unter 11 Min.
Alemannia Aachen
Heiner Backhaus
Porträt des Erfolgsteams 

Aachen zurück in 3. Liga – Höchster Zuschauerschnitt der Regionalliga-Geschichte

Alemannia Aachen vor 3. Liga-Rückkehr: So wurde der Klub zum Aufstiegsfavoriten
©TM/IMAGO


Alemannia Aachen – dieser Name ist unweigerlich verbunden mit Erik Meijer und Co., die vor fast genau 20 Jahren den FC Bayern aus dem DFB-Pokal schossen (2:1), sogar das Finale erreichten (2:3 gegen Werder) und in den UEFA-Cup einzogen. Dort besiegte der damalige Zweitligist Lille (1:0) sowie AEK Athen (2:0) und erreichte die Zwischenrunde. 2006/07 gab es in der Bundesliga noch einen Sieg gegen den Rekordmeister (1:0). Aachen steht aber auch sinnbildlich dafür, wie ein Verein mit Anlauf gegen die Wand gefahren werden kann. Der Bau des neuen Tivoli ruinierte den Klub finanziell beinahe, 2013 wurde er in die Regionalliga West durchgereicht, es gab zwei Insolvenzverfahren. Im Jahr 2024 ist das Stadion wiederum ein Sinnbild für den Aufschwung der Alemannia, die wieder da ist – beinahe jedenfalls. Am Wochenende kann der souveräne Tabellenführer den Aufstieg in die 3. Liga perfekt machen und damit die Rückkehr nach elf Jahren.


Update 26.04.: Nach der Niederlage des Wuppertaler SV am Freitagabend ist der Aufstieg Alemannia Aachens mittlerweile perfekt. Zum Artikel!


Nach dem 3:0 gegen RW Ahlen am vergangenen Wochenende hat Aachen elf Punkte Vorsprung auf Verfolger Wuppertaler SV. Gewinnt Alemannia am Samstag das Auswärtsspiel bei Paderborn II und gewinnt der WSV nicht gegen Fortuna Düsseldorf II, ist der Aufstieg perfekt. Auch wenn der Technische Direktor Erdal Celik bei „Reviersport“ mahnte: „Wir sind gut damit gefahren, dass wir von Spiel zu Spiel schauen und keinen Meter weniger machen. Wir sind noch nicht im Ziel.“ Klappt es nicht gegen den SCP, kann wohl im Heimspiel gegen den 1. FC Bocholt (3.) eine Woche später die Drittliga-Rückkehr gefeiert werden. Dann vor einer möglichen Rekordkulisse – je nachdem, wie viele Gästekarten verkauft werden. Der Heimbereich ist längst ausverkauft.



Den bisherigen Rekord für ein Spiel in der fünfgleisigen 4. Liga, die seit 2012/13 besteht, hält ebenfalls die Alemannia: Gegen Rot-Weiss Essen kamen 2014/15, als auf abschließend Platz zwei zuletzt richtig am Aufstieg geschnuppert wurde, 30.313 Zuschauer. Der Tivoli ist in dieser Saison eine Festung, der Zuschauerschnitt von 18.407 ist der höchste jemals in der aktuellen Regionalliga. Und zwar deutlich: Es folgen 1860 München 2017/18 mit 11.778 in der RL Bayern und RWE 2019/20 mit 10.938. Sieben der zehn West-Rekordkulissen stammen aus dieser Saison, besonders im Jahr 2024 kommen regelmäßig über 20.000 Fans zu den Spielen der Schwarz-Gelben.


Auf einen Blick: Rekordschnitt in der RL West / Die Rekordspiele der RL West


Die Euphorie ist auch in der TM-Community ansteckend. Transfermarkt unterhielt sich mit User „aeroAC“ über die Spielzeit der Alemannia. „Ich bin diese Saison wieder regelmäßig mit im Stadion. Ich gestehe, dass mich diese Euphorie wieder ins Stadion gebracht hat. Ich habe Alemannia vorher länger eher aus der Ferne beobachtet. Jedoch passiert hier etwas. In der Stadt selbst, im Verein, im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis. Die Fans, das volle Stadion, rund 30.000 an den letzten Spieltagen. Ich meine: Wir spielen 4. Liga. Das ist schlicht Wahnsinn!“



Aufgrund der finanziellen Misswirtschaft und des sportlichen Absturzes sei der Klub vorher bei vielen Bewohnern der Stadt „eher ein rotes Tuch“ gewesen. „Die Vereinsführung hat viele Fehler gemacht. Es hat ja durchaus seine Gründe, warum wir seit vielen Jahren in der vierten Liga herumgurken.“ Sei es der Stadionbau oder die Ansage der früheren Kluboberen, die Alemannia gehöre eigentlich in die Bundesliga. „Was nach dem Bundesliga-Abstieg folgte, war ein Desaster. Umso schöner ist es nun, dass wir vermutlich wieder aufsteigen. Ich hoffe inständig, dass man sich nicht übernimmt und demütig bleibt und versucht, langsam wieder zu wachsen. Fuß fassen in Liga 3 und dann mal schauen.“


Wie Heiner Backhaus Alemannia Aachen an die Tabellenspitze führte


Ein Name, der stellvertretend für den derzeitigen Erfolg der Alemannia steht, ist der des Trainers: Heiner Backhaus. Der 42-Jährige weist in dieser Saison einen Punkteschnitt von satten 2,67 in Aachen auf, führte das Team nicht nur an die Tabellenspitze, sondern auch ins Finale des Landespokals Mittelrhein, das am 25. Mai gegen den Bonner SC ausgetragen wird. Dabei trainierte der gebürtige Wittener im August 2023 noch den BFC Dynamo in der Regionalliga Nordost, übernahm erst zum siebten Spieltag von Interimscoach, Klublegende und NLZ-Chef Reiner Plaßhenrich. Aachen war mit Helge Hohl, der seit Oktober 2022 im Amt war, in die Saison gegangen, gewann aus den ersten sechs Spielen aber nur eines. Seit Backhaus im Amt ist, gab es drei Remis, eine Niederlage und 19 Siege.


Mitarbeiter
Heiner Backhaus
H. Backhaus Alter: 42
Alemannia Aachen
Alemannia Aachen
Saison 23/24 -
RL West
Spiele
28
Gewonnen
22
Unentschieden
3
Verloren
3


„Heiner Backhaus ist ein Glücksfall für die Alemannia und passt, wie man so schön sagt, wie ‚Arsch auf Eimer‘. Er hat eine sehr ehrliche, durchaus auch schon mal ironische Art und Weise an sich“, beschreibt Fan und TM-User „aeroAC“. „Heiner steht, so mein Blick von außen, für ehrlichen Fußball und fordert damit von seinen Spielern das, was die Fans sehen wollen – wie einst auf dem alten Tivoli: Die Bereitschaft alles zu geben, jedem Ball hinterherzugehen. Kämpfen und siegen – bis zum Ende. All das verkörpert die Mannschaft diese Saison mehr als in den vergangenen Jahren und das merken die Fans bzw. schwappt die Art und Weise auf die Tribüne rüber und dort wird es natürlich dankend angenommen.“


Natürlich gebe es auch Spielglück und zum Beispiel Fortuna Köln habe beim 1:0 der Schwarz-Gelben technisch und spielerisch auf einem anderen Level agiert. Das enorme Selbstbewusstsein der Mannschaft mache es dem Gegner aber diese Saison besonders schwer. „Nicht ganz ernst sage ich seit Monaten: ‚Wir sind das Bayer Leverkusen der vierten Liga.‘ Ein bisschen ist was dran. Trotzdem stellt sich für mich die Frage, wie das dann in Liga 3 aussehen wird.“  



Dort soll Backhaus (Vertrag bis 2025) weiterhin an der Seitenlinie stehen – auch wenn ob der starken sportlichen Entwicklung seines Teams Begehrlichkeiten geweckt wurden. Manager Celik bestätigte in „Reviersport“, dass „einige Klubs bei Heiner anfragen. Aber wir führen eine sehr offene Kommunikation und stehen alle zusammen. Ich weiß auch, dass Heiner nächstes Jahr unser Trainer sein wird. Das kann ich versichern.“ Zudem würden nach einem Aufstieg diverse Optionen bei Spielern mit auslaufendem Vertrag greifen, sodass 20 Akteure der Erfolgsmannschaft sicher gebunden seien. „Wir haben das bewusst so gestaltet. Die Spieler sollten und sollen auch einen persönlichen Ansporn haben, um erfolgreich zu sein.“ Einen großen Umbruch plant die Alemannia deshalb nicht, auch wenn sicher nicht jeder aufgestiegene Spieler bleiben wird: „Wenn wir rechnerisch durch sind, werden wir die Gespräche aufnehmen. Bis dahin fokussieren wir uns nur auf unser großes Ziel.“


Anton Heinz geht bei Alemannia Aachen vorneweg: „Beten, dass er bleibt“


Zu denen, die nach aktuellem Stand einen auslaufenden Vertrag haben, gehört Top-Torjäger Anton Heinz (26), der im Sommer ablösefrei aus Oberhausen gekommen war und seither in 32 Pflichtspielen auf 17 Tore und 13 Assists kommt. Über den Kader sagt „aeroAC“: „Ich glaube, dass wir ein paar sehr geile Kicker dabeihaben. Namentlich fällt einem da direkt Heinz ein. Aber Verpflichtungen wie Kapitän Mika Hanraths, Robin Afamefuna, Bastian Müller, Kilian Pagliuca oder Marc Brasnic tragen sicherlich dazu bei, dass wir einen tollen Mix aus Erfahrung, Leistungsbereitschaft, Willen und auch Talent haben. Spieler wie die im Winter gekommenen Florian Heister und Anas Bakhat haben locker die Klasse, um in Liga 3 mitzuspielen und auch Spiele zu gewinnen. Ausnahmespieler ist aber klar Heinz. Da kann man nur beten, dass er in Aachen bleibt. Er hat meiner Meinung nach das Potenzial für die 2. Bundesliga, auch wenn er ‚schon‘ 26 Jahre alt ist.“


Leistungsdaten
Anton Heinz
A. Heinz Linksaußen
Alemannia Aachen
Alemannia Aachen
Saison 23/24
Regionalliga West
Spiele
32
Tore
20
Vorlagen
11


Finanziell steht der Verein durch das Engagement mehrerer Sponsoren mittlerweile wieder auf sichereren Füßen und will sich nachhaltig konsolidieren. Möglich, dass bestimmte Angebote bei vertraglich gebundenen Spielern oder Trainern gar nicht auszuschlagen sind – mit dem potenziellen Aufstieg sowie der Chance, in den DFB-Pokal einzuziehen, kommen wiederum aber auch größere Einnahmen dazu.



„Ich hoffe inständig, dass die Verantwortlichen nicht vergleichbare Fehler begehen, wegen derer die Alemannia damals immer weiter abgerutscht ist“, meint „aeroAC“. „Ich kann aus sportlicher und emotionaler Sicht sagen, dass der Aufstieg eine kleine Auferstehung sein wird, auch wenn Ostern gerade erst vorbei ist. Dieser Verein gehört und gehörte nicht ins Niemandsland des Fußballs. Am Wochenende lief ich mit meiner kleinen Tochter durch die Stadt und überall liefen Alemannia-Fans herum bzw. zum Stadion. Man merkt eine Aufbruchstimmung.“



Ein kleiner Wermutstropfen ist da aber schon. Zuletzt hatten Recherchen der „Zeit“, von „11freunde“ und auch der „Sportschau“ Kontakte der Vereinsführung um Geschäftsführer Sascha Eller und Aufsichtsratschef Marcel Moberz ins rechtsextreme Milieu nahegelegt. Schon vor gut elf Jahren hatte es solche Berichte gegeben, nun steige wieder die Angst vor rechter Gewalt im Stadion und auf den Straßen, berichteten Fans der „Sportschau“. In der Fankurve hätten sich Hooligans mit entsprechender politischer Weltanschauung breitgemacht, die Fahne einer einschlägig bekannten Gruppe hänge gut sichtbar am Zaun. Ihr Anführer Kevin P. leitet auch einen Wohltätigkeitsverein, der Essensausgaben für Obdachlose organisiert und der mit der Alemannia in diesem Zuge öffentlichkeitswirksam zusammenarbeitete. Welchen Umgang er pflege, sei der Klubführung bekannt, schreibt „11freunde“. Eller sprach von einer „zweiten Chance“, die man Menschen geben solle. P. gebe sich selbst geläutert – ob das aber wirklich so sei, daran seien berechtigte Zweifel anzumelden.


Moberz holte bei „Facebook“ zur Attacke gegen die schreibenden Journalisten und ihre Quellen aus: „Diese Menschen schaden bewusst der Alemannia für die persönlichen Zwecke, Karrieren und den Kampf für die persönliche Agenda. Diese Leute versuchen bewusst Fanprojekte oder Politiker vor ihren Karren zu spannen, die überhaupt nichts von den Kontakten wissen. (…) Wir als Alemannia Aachen und ich als Marcel Moberz haben uns zu Genüge distanziert und unsere Haltung klargemacht. Leider sehen diese Personen es auch als Aufgabe an, uns als Menschen zu beschädigen. Es geht nicht um die Wahrheit, diese ist für diese Menschen zur kompletten Nebensache geworden. (…) Wer im Jahr 2024 immer noch nicht versteht, dass es bei Alemannia Aachen vollkommen egal ist, wo du herkommst, woran du glaubst oder wen du liebst … der will spalten und kein Teil unserer Familie sein.“



Im Aachen-Forum bei Transfermarkt sind die Aussagen Gegenstand der Diskussionen. Datenpfleger „Bayer04_KN“ findet etwa: „Ich habe keinerlei Einblicke in Alemannias Fanszene und kann deswegen auch nichts zu dem Thema inhaltlich sagen. Zu was ich mir aber eine Ansicht erdreiste, ist die offenbare Vorgehensweise der Vereinsführung (zu der Herr Moberz als AR-Vorsitzender wohl gehören dürfte). Wenn Leute, die mit derartigen Vorwürfen konfrontiert sind, in die Gegenoffensive gehen, dann schrillen bei mir alle Alarmglocken. Vor allem, wenn man so hart formuliert wie in diesem Statement: ‚unterirdische Berichte‘; ‚krankhafte Wahrnehmung‘; ‚Wahrheit ist für diese Menschen zur Nebensache geworden‘; ‚schaden bewusst … für persönliche Agenda‘. Ganz ehrlich: Aus meiner Sicht unterirdische Reaktion, die eine Taktik nach dem Motto: ‚Verteidigung durch Angriff auf Gegner‘ darstellt und sich allein durch ihre Art unglaubwürdig macht. Es ist die Methode Trump. Ich glaube übrigens nicht, dass Alemannia Aachen ein rechtsextremer Verein ist, um das von vornherein klarzustellen. Mir drängt sich nur der Eindruck auf, dass dieser Moberz nicht kapiert, was für ein Bild er der allgemeinen Öffentlichkeit abgibt.“



„SuperMario“ findet diese Kritik nachvollziehbar. Moberz sei „seinerzeit angetreten mit dem Versprechen, für mehr Transparenz zu sorgen. Das erfolgt meist über regelmäßige Beiträge von ihm auf Facebook. Von ihm persönlich, als leidenschaftlicher Fan und Funktionär und ohne breite Absprache. Grundsätzlich ist Transparenz gut und der Weg funktioniert ja augenscheinlich sehr gut, was sportliches Abschneiden, Fanzulauf und Sponsorenakquise betrifft. Trotzdem muss Alemannia dringend wieder professionellere Strukturen aufbauen, denn der Aufsichtsratsvorsitzende sollte im Grunde nur die Geschäftsführung kontrollieren, bei Alemannia ist er mindestens nebenbei noch Pressesprecher, wenn nicht noch mehr. Super, wie viel Engagement die ganzen Angestellten zeigen, und ich bin mir sicher, dass viele auf der letzten Rille gehen nach den letzten intensiven Monaten. Aber auf lange Sicht fehlt an verschiedensten Ecken Personal und professionellere Strukturen. Wie du sagst, solche Statements kann man als Funktionär eigentlich nicht so in den Raum werfen.“


„aeroAC“ wünscht sich von der Klubführung, dass sie bei solchen Themen „genauer hinschaut. Man kann nicht leugnen, dass da ein paar vermeintliche ‚Pappnasen‘ im Stadion sind und sich unter die Fans mischen. Ich bin schon dafür, Politik im Stadion außen vor zu lassen, aber diese Grenze sollte man doch klar ziehen. In sozialen Medien laden viele Stadiongänger Bilder hoch und schreiben darunter: ‚#sportschau, ich habe keine Angst, ins Stadion zu gehen‘,etc. Das ist durchaus auch richtig so, ein bisschen muss man aber dennoch aufpassen, gewisse Dinge, aber auch Meinungen, nicht zu relativieren. Wie so oft liegt die Wahrheit in der Mitte.“


Zitat
Ich würde mal klar sagen, dass Alemannia kein Verein ist, der aus einer rechten Ecke kommt und in der rechten Ecke steht.
Der Großteil der Fans ebenfalls nicht.
Es sind wie so oft vermutlich vereinzelte, die am rechten Rand stehen und sich auch so positionieren bzw. leben.
Ich find's auch schön und gut, wenn sich über Social Media doch einige viele melden und sich sicher im Stadion fühlen.
Mich eingeschlossen.
Jedoch kann ich auch die denjenigen verstehen, die sich nicht sicher oder auch meinetw ...
Zitat

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Autor
Matteo
Marius Soyke
TM-Username: Matteo

Community-Mitglied der 1. Stunde und Teil der Redaktion seit Ende 2013. Serieamore!

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Heiner Backhaus
Alemannia Aachen
Heiner Backhaus
Geb./Alter:
04.02.1982 (42)
Nat.:  Deutschland
Akt. Verein:
Alemannia Aachen
Aktuelle Funktion:
Trainer
Vertrag bis:
30.06.2025
Im Amt seit:
06.09.2023
Alemannia Aachen
Gesamtmarktwert:
2,74 Mio. €
Tabellenstand:
1.
Kadergröße:
29
Letzter Transfer:
Julius Schell